Boaraibl

Sepp Landmann erläutert das Foto dem Wastl Fanderl

Brief vom Landmann Sepp an den Fanderl Wastl, ohne Datierung
Abschrift im Institut für Tiroler Musikforschung

Legende zum Bild. Auf der Fuchsbichl-Almhütten in Kramsach erzählten die beiden Tischlermeistersgattinnen Maria Rangger, Brandenberg (79) und Lena Salzburger, Kramsach (77) dem Landmann Sepp ihre überaus lebendigen Erinnerungen an ihre Zeiten auf dem Bayeralpl (Boaraibl). Diese zwei Frauen sind nämlich jene Brandenberger Dirndln, die als Maria Haaser und Lena Marksteiner in der großen Sammlung oberbayrischer Volkslieder des Kiem Pauli mehrmals verewigt sind. Als fesche, ungemein gsangige und sehr gefragte Tirolerinnen standen sie Ende der Zwanzigerjahre in bayerisch-herzoglichen Diensten als "Boschensetzerinnen", in Bayern damals "Kulturarbeiterinnen" genannt, im Boaraibl in der Langenau bei Bad Kreuth.

Neben ihren "aufforstenden Qualitäten" waren sie aber bald wegen ihrer Lieder, Jodler und Juchezer bekannt und beliebt. Nur nicht beim herzoglichen Jagdpersonal, das besonders in ihren Juchezern Signale für die gefürchteten Brandenberger Wilderer vermutete. Zur Brunftzeit wurde daher den Boschensetzerinnen alles Jodeln und Juchezen streng verboten.

Dem Kiem Pauli blieben natürlich diese Sängerinnen nicht verborgen, und es kam zu besten und ergiebigen Kontakten. Mit Professor Kurt Huber erklomm der Kiem Pauli wiederum das Boaraibl, wo sie am 29. Oktober 1928 folgende Lieder, Jodler und Juchezer von der Lena und der Maria (Moidl) vorgesungen bekamen und aufzeichneten:

"Ja steig ma auffi aufs Bergele" (S. 69); "He Buam, ös wissts, dass i a frischa Wildschütz bin!" (S. 145/146); "Über d"Alma" (S. 259/260); der "berühmte" Boaraibljodler (S. 260); "Drei Juchezer" (S. 269).

Im Juchezen war die Maria (Moidl) Haaser (jetzt Frau Rangger), die wegen ihrer Tüchtigkeit bald Vorarbeiterin der Boschensetzerinnen wurde, damals wegen ihrer Unübertrefflichkeit weitum bekannt.

NB. Die Zahlen sind Seitenangaben im Kiem Pauli-Liederbuch.
Lieber Wastl, sei so gut und klaub Dir heraus, was du brauchbar findest,
herzlichst Dein Sepp.


Sepp Landmann schickt dem Wastl Fanderl die Erinnerung des Kiem Pauli
an die Sängerinnen aus Brandenberg im Boaraibl

Aus dem Artikel "Auf Volksliedfahrt" vom Kiem Pauli,
in: Clara Huber, Kurt Huber zum Gedächtnis, Regensburg 1947

Ich glaube, es war im Jahr 1925, als eines Tages ein schmächtiger dunkler junger Mann mit einem geistvollen Gelehrtenkopf und ausgerüstet mit einem Phonographen zu mir kam und mich ersuchte, ihm einige Volkslieder vorzusingen, die er dann mit seinem Apparat aufnehmen wollte; ich sang einige Lieder, ob aber die Aufnahmen geglückt sind, weiß ich nicht. Hernach erzählte er mir, dass er für die Deutsche Akademie Volkslieder sammle, und als ich ihm erwiderte, dass ich selbst schon einige Jahre das gleiche für mich mache, meinte er: "Wir können ja vielleicht zusammenarbeiten!" und so kam es auch. Wir konnten uns gegenseitig gut ergänzen, er der Wissenschaftler, der die gelehrte Technik seines Faches meisterhaft beherrschte, ich der Praktiker, der mit den Sängern lebte und sang.

Im Oktober 1928 machten wir zusammen unsere erste Fußwanderung von Kreuth durch die Langenau ins Boareibl zu den Pflanzensetzerinnen; das waren junge Diandln aus Brandenberg, Tirol, die jeden Herbst vom Forstamt Kreuth angestellt wurden zur Aufforstung. Ich hatte die Tirolerinnen schon vorher von unserem Kommen verständigt, und so saßen wir bald mit ihnen gemütlich beisammen und tranken Tee, den die Diandln mit Zusatz von Zimt und Schnaps gemacht hatten. Ich packte meine Zither aus, ließ ein Liedl hören, und dann sangen die Diandln, ohne sich betteln zu lassen, ganz von selbst. Professor Huber war in seinem Element und schrieb alles Gehörte genau auf; er hatte ja das absolute Gehör und es war wirklich erstaunlich, wie er die schwierigsten, mehrstimmigen Jodler während des Singens sofort aufnotierte.

Da die Diandln zur Arbeit früh aufsteh"n mussten, durften wir die Unterhaltung nicht zu lange ausdehnen; die Diandln schliefen in einem abgeschlossenen Raum, und die zwei Volksliedfanatiker lagen wie Haremswächter, in einige Decken gewickelt, am Boden im Vorraum; den guten Professor hörte ich nachts öfters jammern, weil er so fror, und ich suchte alles Verfügbare zusammen, um ihn aufzuwärmen. Als wir aufstanden, begrüßte uns ein herrlicher Morgen, und nach dem Frühstück, das ich für alle bereitet hatte, nahmen wir Abschied, der mir immer unvergesslich bleiben wird! Professor Kurt Huber und ich mochten ungefähr hundert Meter gegangen sein, als uns die Diandln einen Jodler nachsangen. Professor Huber sagte: "Pauli, schnell etwas Papier!" und dann schrieb er denselben in Generalbassschrift nieder, dabei liefen ihm die Tränen über das Gesicht vor Rührung; von den Bergen warf das Echo die Akkorde zurück und es war, als wenn die ganze Natur mitsingen würde. In solchen Momenten wird einem unterm Brustfleck warm und mit Worten lässt sich sowas nicht ausdrücken. Als wir weiter wanderten, wurden uns noch die herrlichsten Juchezer nachgesandt, die alle vom Huberl [Kurt Huber] festgehalten wurden; dann wurde es schön langsam still und zwei selige Menschen gingen schweigend nebeneinander durchs Tal.


Sepp Landmann, "Boaraiwijodler". Hoagascht von 1983, ORF-Sendung, wiederholt am 4. 8. 1989
Interview mit den Sängerinnen Maria Rangger geb. Haaser (Brandenberg) und Lena Salzburger geb. Marksteiner (Kramsach)
sowie weiteren Personen.


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