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Sepp Landmann zum 75. Geburtstag vom Fanderl Wastl 1990

Daheim auch in Tirol der Wastl Fanderl
Typoskript [1990] im Nachlass von Sepp Landmann, Kramsach

Als im Jahre 1842 ein Karlsruher Verlag den bayerischen Juristen und Schriftsteller Ludwig Steub mit einer Beschreibung Tirols beauftragte, nannte er diese Aufgabe: "Ein liebes Los, denn die Alpen Tirols mit ihren blauen Zinnen wecken von Jugend auf unsere Sehnsucht. Als ich aus der bayerischen Ebene erste Gänge in die rhätische Bergwelt versuchte, dünkten mich diese Landschaften so träumerisch und märchenhaft, dass ich immer fester der Überzeugung ward, dass das schöne Land Tirol ein Focus sei, einer Feuerherd, von dem aus verhallende Stimmen vergessener Vorzeit und noch manches Licht über alte Lieder und Sagen ausgehen werde."

Vierzig Jahre lang durchstöberte Ludwig Steub unser damals ja ganzes Tirol und seine Volkskultur; und er wurde durch seine unzähligen und überaus trefflichen Veröffentlichungen über unser Land zum "literarischen Pfadfinder Tirols". Als solchem hat Tirol ihm Denkmäler gesetzt.

Das bayerische Verdienst des Ludwig Steub hat sich mir aufgedrängt im Vergleich mit dem Einwirken des Wastl Fanderl auf unsere gsangigen und musikantischen Äußerungen. Ihn bezeichne ich als einen volksmusikalischen Pfadfinder in Tirol und vor allem als einen unübersehbaren und unüberhörbaren Wegweiser auf den einst recht verworrenen Straßen des so hoch gelobten Alpenklanges aus Tirol. Dabei war der Fanderl Wastl nie Diktierer oder Anschaffer, sondern für jeden ein Freund, der es mit ungezwungener Liebenswürdigkeit versteht, zumindest Anerkenntnis oder Würdigung für unsere Auffassung von Volksmusik zu erwecken.

Fast von Beginn an durfte ich seinen Tiroler Weg verfolgen, den Wastl Fanderl in Südtirol mit den Sing- und Volkstanzwochen zu Ostern und Pfingsten 1959 in Mühlbach/Pustertal zu gehen begann.

Im Herbst des gleichen Jahres, am 24. Oktober 1959, war es uns in Nordtirol dann auch vergönnt, des Wastls beim 23. Stanglwirts-Sängertreffen habhaft zu werden, wobei wir uns auf sehr lustige Weise kennen lernten. Als damals der unvergesslichen Sängerwirtin Anna Hauser die Post gebracht wurde, dass heute der Wastl Fanderl zu Gast sein werde, geriet die im Umgang mit höchsten Persönlichkeiten so reich erfahrene Frau in helle Aufregung.

Zu dieser Zeit kamen die Forellen für die Stanglwirtsküche noch aus dem Weiher vor dem Haus, und ich schnappte mir vor den Veranstaltungen öfters das Fischerzeugl vom Junior Balthasar (dem heutigen Wirt), um mein Lampenfieber beim Angeln zu kühlen. So auch diesmal. Dabei kam mir der freudige Gedanke, dass es ja nicht ausbleiben konnte, hier dem Fanderl endlich einmal zu begegnen. Denn gerade da bei den Stanglwirts-Singen hatten sich schon seit vielen Jahren die besten und fruchtbarsten bayerisch-tirolischen Volksmusikbande geknüpft. Auf die persönliche Bekanntschaft mit dem Wastl war ich also überaus gespannt.

In mein Sinnieren erklang plötzlich hinter mir von der Teichböschung herab: "Iatz ziag o, iatz! Mei, lasst der den auskemma. Eh"nder hättn S" oschlagn müaßn!" Fischer "lieben" nun ja besonders die Dreingschaftelei in ihre Bemühungen. Mein unwirsches Umdrehen und mein grantiges: "Ja freilich, Sie hättn dös ja besser könna!", ließ den unbekannten Kritiker wieder abziehen.

Abends im übervollen Saal ich kündigte gerade die Lieder der Geschwister Hartbichler an kam er wieder daher, drängte sich durch die Leute herauf zu mir auf das Podium und streckte mir frohlockend die Hand entgegen: "Grüaß di Sepp, i bi" der Fanderl Wastl; mir hab"n uns heut ja eh scho beim Fischen kennaglernt." Seit damals weiß ich, was eine herzliche Verlegenheit ist. Daraus aber gewann ich einen Freund, der mir als großes Vorbild ein treuer Weggenosse in Sachen Volksmusik geworden ist.

So weit ich herausfinden konnte, gehen aber seine Berührungen mit Tirol noch weiter zurück, bis 1948, als sein "Fanderl-Trio" im Radio Innsbruck der damaligen Sendergruppe Rot-Weiß-Rot bezeichnenderweise das Lied "Ach Himmel es ist verspielt" sang, das damals noch keine Tiroler Gruppe im Rundfunk gesungen hatte.

Besonders zeichnen aber den Fanderl Wastl die Sing- und Volkstanzwochen in Südtirol aus, die er von 1959 bis 1980 an- und ausrichtete. Jeweils zu Ostern und Pfingsten hat er in seiner liebenswerten und unnachahmlichen Art unzählige Menschen zur Besinnung auf ihr eigenes Erbe geführt und vor allem die Freude vorangestellt, die das Erleben bajuwarischer Herzenskräfte in froher Gemeinschaft zu bringen vermag. Mühlbach, Montan, Klobenstein, Sarnthein und Aufkirchen waren dabei die Stationen. Von diesen guten zwanzig Jahren muss auch das große Verdienst von Wastls Ehefrau Lisl erwähnt werden, die ein wohltemperiertes Zepter schwang über die Organisation, die dabei halt auch nötig war und die wegen des Andranges zu diesen Wochen oft recht viel Feingeschick erforderte. Aus diesen Begegnungen erwuchsen viele Freundschaften und Kontakte, die vom Wastl stets zu fruchtbringender Zusammenarbeit angeregt wurden.

Für seine Sendereihen im Hörfunk und Fernsehen holte er immer wieder Sänger und Musikanten aus Süd- und Nordtirol und würdigte dadurch vor dem gesamten deutschen Sprachraum den Wert und die Bedeutung unserer Heimat in der alpenländischen Volksmusik. Seine Schallplatten "Südtirol" und "Advent in Südtirol" sind wertvolle Dokumente, die unwiederbringliches Volksgut bewahren.

Seit Bestehen des Alpenländischen Volksmusikwettbewerbes im Jahre 1974 in Innsbruck gehört Wastl Fanderl als der Vertreter Bayerns zu den Juroren. Bei dieser Großveranstaltung sind seine beratenden und hilfreichen Beurteilungen von jungen Sängern und Musikanten ebenso unentbehrlich geworden wie seine besinnlich-frohen Anleitungen zum gemeinsamen Jodeln beim Festabend.

Maßgeblich war Wastl Fanderl auch dabei, als 1976 der Gedanke auftauchte, die unverfälschte Volksmusik in das wohl behütete Passionsspielhaus zu Erl einziehen zu lassen. Seither feiert dort zwischen den Passionsspieljahren die bayerisch-tirolische Stammesverwandtschaft alljährlich ehrwürdig-fröhliche Urständ.

Wastl Fanderl wurde in Tirol zu einem belebenden und treibenden Geist im Erkennen unserer musikalischen Volkskultur. Seine ungezwungne Mitteilungsfähigkeit fern von allem Lehrhaften ist mit einem Charme versehen, der das Wesen unserer Volksmusik einfach, eingängig und liebenswert darstellen kann. An den lapidaren Herzensweisheiten des Praktikers Wastl Fanderl sind schon viele Spitzfindigkeiten der Musikwissenschaftler fragwürdig abgeprallt.

Ein Glas ganz besonders guten Tiroler Weines wollen wir also für den Fanderl Wastl erheben und ihm dankend Gesundheit, Glück und Segen auf viele weitere Jahre auch mit uns Tirolern wünschen.

Zu Deinem 75er lieber Wastl:
"Vivat und Dank Dir "s Tiroler Land bringt!
Du hast saggrisch viel g"tan,
dass "s wieder recht bei uns klingt."