Anonymes Typoskript [1988] im Nachlass von Sepp Landmann, Kramsach
"Wer dem Volk das Lied wiedergibt, das entschwindende,
der gibt ihm seine eigene Seele zurück" (Peter Rosegger)
Wer hätte seine charakteristische Stimme in den letzten Jahrzehnen in einer seiner zahlreichen Sendungen nicht "schon einmal" gehört? Wer kennt sie nicht, seine lebendigen Schilderungen des bäuerlichen Lebens unserer Vorfahren in seinen bekanntesten, zum Teil schon über Jahrzehnte laufenden monatlichen Sendereihen "In der Bauernstub"n" und "Die scheanste Weis""? Bei wem wäre nicht zumindest ein befruchtender Funke seiner steten sanften Eindringlichkeit, sich der angestammten Werte zu besinnen, letztlich hängen geblieben?
Längst ist er zum einen als tiefschürfender Betrachter von Land und Leuten, zum anderen als humorvoller, charmanter Moderator unzähliger Volkmusiksendungen des Hörfunks und Fernsehens zum Begriff geworden, Vertrauter und oft auch "nur" liebenswerter Begleiter durch den Alltag, etwa in der überregionalen, bundesländerweiten Vormittagssendung des Hörfunks "G"sungen und g"spielt", deren "Volksmusik aus Tirol" er jeweils am Freitag alternierend mit Hubert Kobler moderiert.
Sepp Landmann, Tirols "Wahrzeichen" der traditionellen Volksmusik und als solches weit über Tirols Grenzen hinaus bekannt und beliebt, vollendet am 11. Februar 1988 sein 60. Lebensjahr.
Der amerikanische Dirigent André Previn wurde vor kurzem gefragt, was er am liebsten dirigiere? Seine Antwort erfolgte ohne Zögern: "Mozart! Selbstverständlich Mozart! Ohne Mozart wäre es ein schreckliches Leben."
Unwillkürlich veranlasst diese Antwort uns Tiroler zu einem Vergleich: Wo stünde Tirols Volksmusik ohne Sepp Landmann heute?
Das untrügliche "Gespür" für die echte Aussage musikalischer Volkskultur offenbar in die Wiege gelegt, widmete er sich von Jugend an, seit nunmehr rund 40 Jahren, mit unermüdlichem Einsatz und ganzem Herzen der Wiederbelebung und Pflege überlieferter Volksmusik. Und dies schon oder noch zu einer Zeit, in der er mit seinem Bemühen so gut wie allein stand. Das einstmals viel gepriesene "Sängerland Tirol" war, was die Interpretierung echter, unverfälschter Volksmusik anlangte, zu diesem Zeitpunkt auf einen Tiefstand abgesunken. Nur vereinzelt war noch gewachsene Ursprünglichkeit spürbar, aber auch die bot sich bereits verwässert vom falschen Klang, der weit schriller über die Grenzen unseres allzeit nach Fremdenverkehr trachtenden Tirolerlandes vernehmbar schien. Ein hoffnungsvolles "Lichtlein" echter Volksmusik flackerte jährlich zweimal beim Stanglwirt in Going auf, wo rührige, sangesfreudige Wirtsleute 1948 auf die zweifellos großartige Idee der Einführung eines sogenannten "Sängertreffens" kamen. Folgten der Einladung zum ungezwungenen Zusammenfinden von Sängern und Musikanten im prächtigen Stanglwirtshaus anfangs ganze vier Gruppen, wurde das Treffen im folgenden Jahr von überwiegend bayerischen Gruppen bestritten.
Mit der "Entdeckung" Sepp Landmanns als Ansager im Frühjahr 1957 durch die legendäre Anna Hauser begann die eigentliche Ära Sängertreffen beim Stanglwirt. Schon bald dem "Ansager" entwachsen, brachte er eine "Linie" in dieses Treffen und führte es, wie hinlänglich bekannt, durch seine konsequente Zielsetzung binnen kurzem zum bedeutendsten Volkssingen im Alpenland heran. Sepp Landmann meisterte diese ihm auf den Leib geschneiderte, ans Herz gewachsene Aufgabe der Gestaltung der Sängertreffen mit scheinbar müheloser Leichtigkeit, ja mit einer "Unerschöpflichkeit", wie sie nur seiner Person eigen ist, ganze 30 Jahre lang, bei rund 60 Sängertreffen also. Zwischen fünfzig und siebzig Gesangs- und Musiziergruppen aus dem gesamten Alpenraum fanden sich schließlich jeweils ein, wenn der Sepp aufrief:
"Sängertreffen is, beim Stanglwiascht
Kemmt"s! Es wead sicher wieder g"schtiascht "
Weitere gravierende "Stationen" seiner Aufbauarbeit: 1962 rief er das Alpbacher Adventsingen ins Leben Anfang und Maßstab für so viele Veranstaltungen dieser Art in ganz Tirol. Seinem "richtungsweisenden Gang" nach Alpbach ist es auch zu danken, dass die heimische Volksmusik seit Jahren mit Peter Moser ein weiteres volksmusikalisches "Perpetuum mobile" aufzuweisen hat. Wer sonst hätte den fähigen Alpbacher seinerzeit sozusagen "in den Schein des Volksmusik-Rampenlichts" gedrängt, wenn nicht Sepp Landmann? Damals, als der große Förderer der bayerischen Volksmusik, Wastl Fanderl, Landmann ermunterte, seiner Sendung "Besuch im Studio" beim Bayerischen Rundfunk auch einmal eine gewachsene Tiroler Gruppe beizusteuern.
Die Verlegenheit war nicht gering, denn wo war zu der Zeit eine derartige Gruppe zu finden, die noch zu singen wusste, wie ihr einst "der Schnabel gewachsen" war? Er ersann sich der Alpbacher Sänger mit Peter Moser an der Zither. Der weitere Werdegang Peter Mosers zum "Eckpfeiler" von Tirols Volksmusik, unter anderem seine Profilierung bei Radio Tirol, darf als bekannt angenommen werden.
In Sepp Landmanns ohnehin nur "gerafftem" Curriculum vitae in Sachen Volksmusik soll aber vor allem ein Name nicht fehlen. Es ist dies der seiner jahrelangen "Mitstreiterin" Herma Haselsteiner. Gehörte seine Liebe und Obsorge vor allem einem Zwei-, Drei- oder Viergesang, der klingenden Zither, steirischen Ziach oder der bäuerlich gespielten Geige, wie beispielsweise die Schwendberger Hochzeitsmusig viele Jahre und auch noch heute als "lebende Legende" erfreute und erfreut, so galt Herma Haselsteiners Aufmerksamkeit und Vertrautheit ihrem schon in den fünfziger Jahren gegründeten Wörgler Mädchenchor. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Tiroler Volkslied auch über die Landesgrenze hinaus populär zu machen, bereiste zu diesem weck mit ihrem Chor sämtliche Bundesländer und erwies auch der Bundeshauptstadt Wien ihre Reverenz. Es konnte nicht ausbleiben, dass Herma Haselsteiner und Sepp Landmann in ihrem ähnlichen Bestreben zueinander fanden. 1966 gründeten sie schließlich gemeinsam den Tiroler Volksmusikverein als Träger ihres Pioniergedankens. Der Verein konnte 1986 in Innsbruck sein 20-jähriges Bestehen feiern.
Die Volksmusik in Tirol nahm in den letzten zwei Jahrzehnten einen beispiellosen Aufschwung. Sie kam regelrecht "in Mode". Freuen wir uns mit Sepp Landmann darüber, "dass die Vögel wieder vom richtigen Ast herunterpfeifen".
Bei Sepp Landmann bedurfte es keiner Umkehr. Er verließ den rechten Pfad überlieferter Volksmusik nie und rückte in kompromissloser Unbeirrtheit als einer der wenigen keinen Millimeter von diesem seinem rechten Weg ab.
Mögen ihm ein paar kleine, scheinbar selbstverständliche Eigenschaften auch weiterhin erhalten bleiben, die er in jede einzelne seiner Sendungen einbringt: sein Humor, der ihm eigene "Schalk im Nacken", sein bezwingender Charme. Mit seinen froh stimmenden Sendungen erhellt er, vielleicht oft nur unbewusst, so manchen Alltag. Zu Herzen geht"s, weil"s von Herzen kommt. Zumeist sind es die kleinen Dinge, die die großen im Leben ausmachen: Gott ist am größten im scheinbar Kleinsten.